arbeitende Menschen am Computer in modernem Büro

Die Zukunft des Coworking Space

Was sich durch die Jahre als Selbstläufer etabliert hat, wird sogar zum Innovationstreiber. Weltweit werden Coworking Spaces neuer, größer und in ihrem Infrastrukturangebot umfassender. Der Anteil von großen Firmen, die Coworking Spaces mitnutzen, um vom Networking mit Freischaffenden und kleinen Start-ups zu profitieren, steigt rasant.

Der Coworking Space? Das war doch immer die Notlösung für alle Freischaffenden, die zu Hause klaustrophobische Anfälle bekommen und ihre Bürozeiten nicht nach den Öffnungszeiten von Cafés mit WLAN richten wollen. Da hat sich inzwischen einiges verändert. Perfekte Infrastruktur, gute Atmosphäre auch für Meetings, mehr und mehr kleine Firmen, die sich zwischen die Freischaffenden mischen. Und nun? Nun wollen die Großen mitmischen und mieten sich Plätze dort, wo kleine Start-ups loslegen und Networking betrieben wird. US-Büromöbel-Riese Haworth, der auch gern Coworking-Firmen ausstattet, hat dazu ein White Paper herausgebracht. Gabor Nagy, Research Program Manager bei Haworth, benennt als Quintessenz: „Mehr und mehr große Firmen haben das Potenzial von Coworking erkannt, um eine Innovationskultur zu pflegen. Gemeinsam genutzte Büros können die Wissensarbeit fundamental verändern und als Katalysator für Innovationen dienen.“ Er konstatiert auch, dass sich Mitarbeiter großer Firmen in Coworking Spaces deutlich wohler fühlen. „Jüngere Mitarbeiter wollen lieber bei Start-ups arbeiten anstatt bei riesigen Firmen, weil sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit direkter sichtbar wird“, stellt er fest.

„Mehr und mehr große Firmen haben das Potenzial von Coworking erkannt, um eine Innovationskultur zu pflegen. Gemeinsam genutzte Büros können die Wissensarbeit fundamental verändern und als Katalysator für Innovationen dienen.“ Sagt Gabor Nagy #jobwizards https://job-wizards.com/de/die-zukunft-des-coworking-space/

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Sozialer und weniger hierarchisch

So sehen Mitarbeiter die Atmosphäre im Coworking Space, und genau das bringt sie dazu, selbstbestimmter zu arbeiten. Für die Zukunft sieht Nagy: „Mehr und mehr Firmen werden in Coworking Spaces einsteigen, aber sie werden auch intern ihre eigenen Coworking Spaces aufbauen. Das wird sich zu einem Mix entwickeln.“ Wer mischt da denn nun mit? Technikgiganten wie Verizon, Microsoft, Apple, Google und IBM starteten den Trend. Quer durch alle Branchen setzt sich die Entwicklung fort, kleine Gruppen als innovative Außenposten in Coworking Spaces zu setzen, so bei Twitter, VW, Bacardi, General Electric, Spotify. Auch Uber nutzt gern Coworking Spaces. So können die Mitarbeiter direkt am Arbeitsplatz zu Markenbotschaftern werden, wenn die Start-ups und Freiberufler beim Kaffeeholen mit ihnen ins Gespräch kommen. Ein rein ökonomischer Grund spielt auch mit: Das eigene Headquarter erweitern? Neue Immobilien mieten oder kaufen? Wieso? Die Büros sind sehr schnell, unverbindlich und flexibel anzumieten. Oder man macht es gleich wie der Einzelhandelskonzern Ottogroup in Hamburg, etabliert den Open Space collabor8 in einer stillgelegten Lagerhalle und tritt selbst als Anbieter auf, um die Szene dahin zu locken, wo die eigenen Mitarbeiter schon sitzen.

Einige Coworking Spaces sind durch ihren individuellen Stil bekannt geworden, andere drängen in immer wieder neuen Spielarten und mit besonderen Services auf den Markt. In Europa gilt das Berliner Betahaus als einer der Klassiker. Was mal als ersehnte Lösung für Freischaffende gegründet wurde, um nicht in der heimischen WG oder dem Coffeeshop ums Eck sitzen zu müssen, ist nun mit Dependancen in Hamburg, Sofia und Barcelona vertreten, ist Teil eines weltweiten Partnernetzes und veranstaltet Workshops und Start-up-Pitch-Wettbewerbe. Berlin bietet heute als Boomtown des Coworking genug Entfaltungsmöglichkeiten für individuelle Einzelbetreiber und wird von den großen Anbietern heiß umworben.

„Start-ups können heutzutage sehr schnell wachsen. Wieso sollten wir drei Jahre warten, um dann zu sagen: Jetzt seid ihr groß genug, dass wir mit euch arbeiten wollen. Man muss von Anfang an da sein.“

Patrick Imbach, Head of KPMG Tech Growth

Coworking Spaces sind längst flächendeckend in Europa präsent.

Im Zentrum von Brüssel wirbt Factory Forty mit familiärer Atmosphäre. Interessant, dass mit dieser Selbstdarstellung Raumgrößen bis zu 200 Personen angeboten werden. Die Factory Forty bietet an, den angemieteten Raum als die eigene offizielle Adresse benennen zu können. Ein geräumiges Headquarter mit den Vorteilen der Flexibilität und der Nähe zu Start-ups ist also möglich.

Im italienischen Brescia bietet First Floor seine Räume mit dem erklärten Ziel an, Synergien zu schaffen und neuen Partnerschaften den Weg zu ebnen. 2017 hat der aus den USA stammende weltgrößte Anbieter WeWork sein elegantes WeWork La Fayette in einem historischen Beaux-Arts-Gebäude in Paris nahe den Grands Magasins eröffnet, um in anregender Umgebung für Inspiration zu sorgen. Neueste Technik im 20er-Jahre-Look breitet sich auf elf Stockwerken über 12 000 Quadratmeter aus. Und in Teneriffa wird zum Coworking auch Co-Living angeboten. Jeder Raum bei Coworking in the sun hat Platz für drei Mieter, die sich eine Küche und ein Bad teilen. Dazu hat jeder sein eigenes Schlafzimmer direkt vor Ort. Schon der Name verspricht beste Arbeitsatmosphäre.

Auch für die Aus- und Weiterbildung sind Coworking Spaces interessant. Der internationale Bildungsträger General Assembly nutzt das TechSpace Aldgate im Osten Londons, die größte von fünf TechSpace-Locations in der englischen Hauptstadt. So können sie flexibel mit ihrem Raumbedarf umgehen. Tom Ogletree, Director of Social Impact + External Affairs bei General Assembly erläutert: „Wir stellen so eine Verbindung her zwischen etablierten und aufstrebenden Innovatoren. Wir bieten Training in vielen technischen und gestalterischen Disziplinen. Bei TechSpace kommen wir mit Freelancern und kleinen Firmen zusammen.“

 

Was genau ist ein Coworking Space?

Exakt müsste man es Cositting Workspace nennen. Der Sinn des Coworking Space ist es zunächst, einen Raum zu bieten für Freischaffende, digitale Nomanden und kleine Start-ups, die ohne große Startinvestition einen festen Arbeitsplatz mit größtmöglicher Flexibilität und Unabhängigkeit haben wollen. Die nötige Infrastruktur wird zur Verfügung gestellt und gemeinsam genutzt. Hier sitzt man also zusammen, arbeitet aber nicht zwangsläufig miteinander. Was die räumliche Aufteilung angeht, sind keine Grenzen gesetzt. Ob Großraumbüro mit Sofaecke und Kaffeetheke oder einzelne Denkzellen und Minibüros mit gemeinsamem Chill-out-Bereich – alles kann, nichts muss. Auch das momentan in großen Firmen beliebte Modell, jeden Tag einen neuen Platz einnehmen zu können, hat hier seine Anfänge genommen. Viele Coworking Spaces laden zu gemeinsamen Seminaren und Workshops ein. Sie fördern den Community-Gedanken durch das Angebot des gemeinsamen Frühstücks oder einer eigenen Social-Network-Plattform. Und hier kommen die Firmen ins Spiel, die durch das Einmieten für Einzelprojekte problemlos freie Mitarbeiter akquirieren können und immer nah an der Szene sind, um Ideen und Trends am freien Markt anzuzapfen.

Der Community-Gedanke ist ein Trumpf der Coworking Spaces

Bei aller Unverbindlichkeit, die zunächst das Wesen von Coworking Spaces zu bestimmen scheint, fühlen sich hier Freiberufler unter Gleichgesinnten, sehen Start-ups die Möglichkeit Partner zu finden und große Firmen die Chance am Puls des Geschehens zu sein. So ergibt sich für alle Seiten eine vorteilhafte Möglichkeit, Kontakte innerhalb einer gefühlten Community aufzubauen. Das verbindende Element Coworking schafft Vertrauen und große Firmen finden Zugang zu jungen Wissensarbeitern, die dem Corporate Business skeptisch gegenüberstehen. Die Unternehmerin Lena Schiller Clausen, Mitgründerin des Betahaus Hamburg, meint: „Viele innovative Vorhaben scheitern bereits, bevor sie angefangen haben, weil die etablierten Strukturen des Unternehmens zu starr sind. Die fixierten Prozessabläufe und hierarchischen Organisationsdiagramme der Großkonzerne bieten keine Freiräume, um sich wirklich entfalten und auf eigenen Beinen stehen zu können. Coworking Spaces bieten bewusst auch großen Unternehmen die Möglichkeit einer niedrigschwelligen Schnittstelle zu ihren Communitys. Wer junge Arbeitnehmer aus kreativen und digitalen Arbeitsfeldern für sich begeistern möchte, muss einem Mindset gerecht werden, das den hoch vernetzten agilen Arbeitsweisen dieser digital geprägten nachfolgenden Generation gerecht wird.“

„Unsere Teams frisch und vernetzt da einzusetzen, wo große Ideen im Markt unterwegs sind, kann sie nur besser machen.“

Matt Donovan, General Manager of Microsoft Office Marketing

WeWork gilt als der größte und am schnellsten wachsende Coworking-Space-Betreiber weltweit. Seit Herbst 2017 arbeiten sie mit Airbnb zusammen. Das bedeutet, dass man in einigen Metropolen bei Buchung einer Wohnung über Airbnb den nächstliegenden WeWork-Space genannt bekommt und sich direkt weiterleiten lassen kann, um nach der Übernachtung auch den Arbeitsplatz zu buchen. Airbnb sitzt derweil, zum Beispiel in Berlin, als Mieter bei WeWork. In Berlin eröffnet WeWork im Sommer 2018 den größten Coworking Space Deutschlands. Im von Renzo Piano entworfenen debis-Haus am Potsdamer Platz entsteht der mittlerweile fünfte WeWork-Space. Erst im Herbst bezog WeWork am Kurfürstendamm direkt beim Breitscheidplatz mehrere Stockwerke, in denen sich auch schon größere Firmen eingemietet haben.

Miguel McKelvey, Mitgründer und Geschäftsführer von WeWork, sieht den Trend stark zum Corporate Cowork gehen. „Banken müssen heute um die gleichen Talente werben wie Airbnb und Facebook,“ sagt er, „aber wer die gewinnen will, braucht eine coole Arbeitsumgebung.“ Corporate Coworking ist das am schnellsten wachsende Segment bei WeWork. Es liegt aktuell schon über 20 Prozent. Um mehr und mehr Unternehmen anzulocken, werden nun die Freien, Kreativen und Start-ups nicht mehr umworben, sondern zur Werbung herangezogen. Karl L. Wambach, der Geschäftsführer bei Brookfield Properties Germany, dem Vermieter der Daimler-City, zu der das debis-Haus gehört, freut die Initiative des Coworking-Space-Giganten: „Mit WeWork wird der Potsdamer Platz zu einem neuen Zentrum der jungen, kreativen Szene in Berlin.“

Da ist also viel Bewegung in der Szene. Für große Firmen lohnt sich auf jeden Fall der Kontakt zu den Coworking Spaces, um nah an den aktuellen Trends zu sein – und das ohne ökonomische Wagnisse eingehen zu müssen. Wird das Prinzip Coworking Spaces in Zukunft noch durchlässiger und ganz selbstverständlich ein gemeinsamer Marktplatz für freie Networker und Corporate Business?

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