Die Modebranche besitzt eine lange Tradition, die in längst vergangene Jahrhunderte zurückreicht – mindestens bis zur Renaissance (15. Jahrhundert) oder gar bis zur Zeit der Seerepubliken (8. bis 14. Jahrhundert). Damals begünstigte das Aufkommen einer herrschenden Klasse, die von Handel und internationalen Kontakten geprägt war – insbesondere an den Mittelmeerküsten –, die Etablierung von Schneidern, die in der Lage waren, die Einflussreichen und die Herrschenden ihrer Zeit mit edler und eleganter Kleidung auszustatten. Tatsächlich ist es so, dass die Brokat- und Spitzenstoffe, Gewebe und Strickwaren, welche die neueste italienische Mode am stärksten geprägt haben, auf diese Zeiten zurückgehen, besonders auf die Renaissance. Eine wichtige Konsolidierung setzte jedoch gegen Ende des 19. Jahrhunderts und vor allem im 20. Jahrhundert ein, als einige der bedeutendsten Unternehmen, die noch heute in diesem Markt erfolgreich sind, gegründet wurden.
Tatsächlich waren viele davon bis vor kurzem noch familiengeführte Modeunternehmen, die sich dann zu vollwertigen, gut organisierten und strukturierten Industrieunternehmen entwickelt und schnell international ausgedehnt haben. Sie haben dank ihrer Teilnahme an Handelsmessen, Branchenevents sowie Kooperationen mit lokalen Partnern und vor allem durch die Eröffnung von Filialen und Repräsentanzen in den verschiedenen Ländern, in denen sie kommerziell tätig waren, weltweite Bekanntheit erlangt.
Der heutige Modemarkt
Bevor wir uns damit befassen, wie digitale Technologien die Art und Weise verändern, wie die Modebranche in Italien funktioniert, lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, inwiefern dies auf die Wirtschaft des Landes im Allgemeinen zutrifft. Laut einer 2018 von der Direzione Studi e Ricerche des Kreditinstituts Intesa Sanpaolo durchgeführten Studie, die auf Daten des ISTAT (Istituto Centrale di Statistica) basiert, generierte die italienische Modebranche im Jahr 2017 eine Wertschöpfung von mehr als 24 Milliarden Euro (10 % der Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes) und beschäftigte etwa 500.000 Menschen (15,5 % der Arbeitnehmer des verarbeitenden Gewerbes in Italien). Damit rangierte sie insgesamt an 4. Stelle hinter der Stahlindustrie, der mechanischen Industrie, der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie der Tabakindustrie. Einer Mediobanca-Forschungsstudie zufolge belief sich der Gesamtumsatz der italienischen Modebranche 2017 auf mehr als 60 Milliarden Euro.
Von der Stricknadel zum CAD-CAM
Die Einführung digitaler Technologien in einer Branche, die so tief in der italienischen Kultur verwurzelt ist, ist ein Schritt für Schritt und nicht immer linear verlaufender Prozess, auch wenn in letzter Zeit diverse Entwicklungen die Abläufe in der Modebranche dramatisch verändern. Das einfachste Beispiel begegnet uns bei den Designtechnologien, die heute auf CAD-Software (Computer-Aided Design, computergestütztes Design) basieren und in Wertschöpfungsketten integriert sind, welche – insbesondere im Konfektionsbereich – außerdem CAM-Lösungen (Computer-Aided Manufacturing, computergestützte Fertigung) beinhalten. Die Modelle werden dementsprechend zunehmend von Computern designt, die alle nötigen Prüfungen im Zusammenhang mit den gewählten Materialien, Farben, Kombinationen und am besten geeigneten Produktionsverfahren vornehmen.
Eines der bemerkenswertesten Beispiele (und zudem eines der ersten in Italien) ist die Lösung, die von Missoni zur Herstellung von Strickware eingeführt worden ist und auf CAD-gestützten Musterzeichnungen basiert. Mit dieser neuen Lösung konnte die Zeit bis zum Vorliegen der ersten Musterexemplare von 2 Monaten auf … 24 Stunden reduziert werden.
Tatsächlich sind CAD-CAM-Technologien die am häufigsten und erfolgreichsten eingesetzten Lösungen, da zum Beispiel bei Missoni-Strickwaren die Herstellungs- und Vertriebskosten relativ hoch sind. Das liegt daran, dass sie über Absatzkanäle wie Warenhäuser vertrieben werden, die am nächsten an den Durchschnittsverbrauchern sind. Dies steht selbstverständlich nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass auch der Bereich der traditionellen, „handwerklichen“ Design- und Herstellungsmethoden – für anspruchsvollere Kunden und luxuriösere Bekleidung – ausgeweitet worden ist.
Virtuelle Umkleidekabinen
Heute stehen Lösungen zur Verfügung, mit denen Wiederverkäufer ihren Kunden Muster der gewählten Stoffe und die Farbauswahl in der virtuellen Realität präsentieren – zum Beispiel über einen Bildschirm, der in einer Umkleidekabine installiert ist und der es ermöglicht, die Kleidung virtuell zu „tragen“, indem man sie auf dem Bildschirm betrachtet.
Ein Praxisbeispiel für eine solche Lösung wurde von einem Systemintegrator aus der Emilia Romagna, einer Region in der Mitte Italiens, entwickelt: VEM Sistemi. Diese Lösung ermöglicht den Einsatz eines sogenannten magischen Spiegels. Dabei handelt es sich um einen Bildschirm, auf dem der Kunde Kleidungsstücke virtuell betrachten und anprobieren und Farben oder Accessoires auswählen kann, die dann von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die Echtzeitinformationen von Computern auf ihre per WLAN verbundenen Smartwatches erhalten, direkt in die Umkleidekabine geliefert werden können.
Reibungsloseres Channel Management
Eine andere Technologie löst einen der Problemkomplexe, vor die sich Einzelhandelskanäle häufig gestellt sehen: das Kosten- und Zeitproblem sowie die technischen Hindernisse, die sich ergeben, wenn neue Stores in Städten eröffnet werden sollen, die weit vom Stammhaus des Unternehmens entfernt liegen. Die Lösung, die solche Stores effizient und sofort produktiv macht, basiert auf der Cisco-Meraki-Technologie und ist in der internationalen Modekette (mehr als 120 Stores) der La Perla Group eingeführt worden.
La Perla, ein bekannter Hersteller von Dessous, Herren- und Damen-Unterwäsche, Miederwaren, Badebekleidung, Parfümeriewaren und mehr, wurde 1954 von Ada Masotti in Bologna gegründet und ist heute weltweit präsent – in Frankreich, Spanien, Deutschland und den Vereinigten Staaten mit eigenen Stores. Mit Hilfe der erwähnten Lösung können neue Stores schnell und einfach ins Netzwerk eingebunden und eingerichtet werden. Vor allem muss keine Überwachung vor Ort durch erfahrenes technisches Personal mehr erfolgen, da die Implementierungen über die Cloud verwaltet werden – auf sehr einfache und intuitive Weise.
Auch im Bereich Lederwaren werden die Zeichen der Zeit erkannt
Ein weiterer Bestandteil der Modebranche ist der Bereich Lederwaren und Schuhe, und auch hier finden sich Beispiele für eine Optimierung der Produktion: unter anderem bei Del Brenta, einem Unternehmen aus Venedig, in dem die Absätze von Damenschuhen einiger der großen Modemarken designt und hergestellt werden. Del Brenta hat mit Hilfe einer Reihe von Systemen, die die Automatisierung der Designphase neuer Modelle ermöglichen, die kollaborative Produktion optimiert. Ein weiteres Beispiel ist der Lederwarenspezialist Piquadro, dessen Firmensitz im toskanisch-emilianischen Apennin liegt. Das Unternehmen hat mit Hilfe von IT-Lösungen den digitalen Informationsfluss zwischen den diversen Abteilungen optimiert, die in Design und Herstellung der vielen verschiedenen Artikel involviert sind.
Bereit für die Zukunft
Alle Voraussetzungen für eine echte digitale Revolution in der italienischen Modebranche sind gegeben, auch wenn die oft kleinen oder mittleren Unternehmen nicht immer über ausreichende finanzielle Mittel für langfristige Investitionsprogramme verfügen. Doch der Vormarsch von Cloud Computing und Internettechnologien sorgt in Kombination mit der weiteren Ausbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien – das heißt der Verbreitung von Lösungen, die immer kostengünstiger und einfacher umzusetzen und anzupassen sind – für schlichtweg faszinierende Zukunftsaussichten für Unternehmen jeder Größe.
Modeketten werden zunehmend mit Hilfe neuer Technologien gesteuert: Videowalls, virtuelle Realität und Multimediasysteme werden die Arbeit des Verkaufspersonals erleichtern, damit dieses sich auf die Beratung konzentrieren kann. Von der Kreation neuer Kleidungsstücke und Stoffe bis zu deren Produktion und ihrem Vertrieb: Informations- und Kommunikationstechnologien werden der Modebranche mit Sicherheit noch viele interessante Szenarien zu bieten haben – besonders in einem Land wie Italien, in dem sie einen bedeutenden Beitrag zum BIP leistet.
Der Modemarkt, eine Branche mit historischen Wurzeln, ist für Italien unverzichtbar. Wie wird er von der aktuell stattfindenden digitalen Transformation beeinflusst? #jobwizards https://job-wizards.com/de/der-italienische-modesektor-entwickelt-sich-dank-digitaler-technologien-schnell-weiter/